eine Arbeit von Julia Novacek
Cast & Crew
Performance, Regie, Produktion: Julia Novacek
Kamera: Marie Klein, Daniel Partke
Regieassistenz: Lisa Kuglitsch, Patrick Topitschnig
Ton: Teresa Schwind, Nadja Klement
Ausstattung: Evamaria Müller
Aufnahmeleitung: Nadja Rothkirch
Tonmischung: Christoph Mateka
Colour Grading: Marie Klein
Übersetzungen und Performance: Dalibor Mikić
Catering: Sarah Schamat
Mit: Dalibor Mikić, Hannelore Bauer, Gerlinde Gröll, Christian Jeschko, Anna-Sofie Lugmeier, Michael Müller, Marianne Schweinberger, Sebastian Sraser, Michael Wahlmüller, Christopher Weikenmeier
Dank an: Thomas Strutz, Ursula Jöllinger, Christian Jöllinger, Elisabeth Luef, Valerie Tiefenbacher, Ursula Tiefenbacher, die Mitarbeiter:innen des Tourtel Wien
Unterstützt von: Bundeskanzleramt Österreich, Stadt Wien
Das politische, medial inszenierte Geständnis ist der zentrale Fokus der Videoarbeit. In den vergangenen Jahren kam es vermehrt zu Plagiatsvorwürfen gegen Politiker: in Deutschland wurde Karl-Thoedor zu Guttenberg nachgewiesen in seiner Diplomarbeit plagiiert zu haben. In den USA stand der Republikaner Herman Cain unter Verdacht sein Konzept für ein neues Steuersystem aus einem Computerspiel (Sim City) entnommen zu haben.
Auf diese Vorfälle folgen Rechtfertigungen und Geständnisse der PolitikerInnen. Das öffentliche Geständnis verlangt nach der höchsten Form der authentischen Selbstdarstellung. Wie werden politische Identitäten medial konstruiert? Plagiatsdebatten auf der einen Seite und die authentische Darstellung des Ichs befinden sich so in einem verworrenen Spannungsverhältnis.
DAS SPIEL VOM REDEN beschäftigt sich mit öffentlichen Geständnissen/ Entschuldigungen zu Plagiatsvorwürfen von Politikern welche von mir selbst reenactet werden. Im Setting einer Pressekonferenz performe und reenacte ich generierten Text aus diversen Polit-Entschuldigungsreden, ich entschuldige und rechtfertige mich für die Plagiate. Zwei Videokameras dokumentieren in einer one-take Einstellung die Rede und das Geschehen im Raum. Die eine Kamera kopiert die Bilder der anderen. Mittels des Reenactments werden Entschuldigungsreden für das „Klauen“ fremder Texte „geklaut“ um „geklauten“ Text mit „geklauten“ Gesten zu performen.
Die Kameras beginnen aus der Rolle zu fallen. Sie machen Detailaufnahmen von meinen Gebärden, tasten den Raum und die JournalistInnen ab. Die Gemachtheit der Szenerie wird so einerseits thematisiert und ermöglicht, durch das negieren des klassischen Fernseh-Kamerablicks, subjektivierte Narrative.
Im Rahmen des thealit Projekts DEBATTERIE! Antagonismen aufführen ist es genau die Fiktionalität der Trennung zwischen öffentlicher und privater Sphäre, die Julia Novacek in ihrer performativen Erweiterung der Videoinstallation angeht. Im kleinen Raum, der an die Installation angrenzt, befindet sich ein Prepaid-Handy und eine Wegbeschreibung. In regelmäßigen Abständen ruft Julia Novacek aus ihrem Hotelzimmer auf dem Handy an, um die Gäste der Installation in einer Eins-zu-eins- Situation in ihr Hotelzimmer einzuladen. Im Zimmer India empfängt sie mich in Jogginghose – sie fragt, ob ich etwas trinken möchte – Kaffee, Tee, Wasser? Falls wir uns nichts zu sagen haben sollten, gibt es auch etwas zu tun: wir puzzeln. Tatsächlich ist es unmöglich auszumachen, als wer sie mich hier empfängt. Sie scheint keinem Score zu folgen, keine Rolle zu spielen – ich treffe gleichzeitig die plagiierende Politikerin privat, denn als diese ist mir ihr Gesicht nach der Pressekonferenz vertraut, als auch die Künstler*in Julia Novacek – vielleicht sogar Julia Novacek selbst. Nicht nur die Person und das Setting, in dem ich sie treffe, entziehen sich der zuvor in verschiedenen Konstellationen angerufenen Unterscheidung von öffentlicher und privater Person, insbesondere auch der Raum, in dem wir uns treffen, tut es. Ein Hotelzimmer, weniger anonym als andere Hotels, vereinzelt bestückt mit Julias Sachen. Sie wohnt hier nicht, aber sie wohnt hier auch nicht nicht. Neben der Tendenz zum Plagiieren ist es auch der semi-private temporäre Lebensraum des Hotelzimmers, den Künstler*innen und Politiker*innen teilen. Hier wird die Oszillation zwischen privat und öffentlich anders spürbar: In der Videoinstallation dekonstruiert Novacek das Verwischen von Verantwortlichkeit, für die solche Ambivalenz z.B. in den Plagiatsaffären fungierte. Hier gibt mir die Ambivalenz ihrer Persona, die Ununterscheidbarkeit zwischen Performer*in/Politiker*in, Künstler*in und Privatmensch Novacek einen Anhaltspunkt, mithilfe dessen ich mich hier in diesem Hotelzimmer aufhalten kann. Es ist eine genuin politische Frage, mit welchem Grad an Sichtbarkeit die Grenze zwischen privat und öffentlich, zwischen Plagiat und Original, zwischen Installation und Hotelzimmer, aufgestellt und verwischt wird. Denn nur wo ein Spiel vom Reden, wie dieses hier, komplexe Positionierungen ermöglicht, anstatt sich selbst zu naturalisieren, kann es zum emanzipatorischen Diskurstool werden.
Text von Antonia Rohwetter.
Credits Stills: Marie Klein und Daniel Partke, 2016
Credits Fotos: Michael Müller, 2016